Carhartt, Dickies und Co: Warum Workwear ein fester Bestandteil von Streetwear ist
Ich kann mir nicht helfen, aber jedes mal, wenn ich eine Engelbert-Strauß-Hose sehe, läuft mir ein kleiner Schauer über den Rücken. Ich kann es nicht näher definieren und ich weiß auch nicht, ob es nur mir so geht, aber der Stil, den diese Hosen ausstrahlen, gehört zu den unästhetischsten Dingen, die ich kenne. Viel stutziger macht mich dabei die Tatsache, dass mein Kleiderschrank zu größeren Teilen aus Carhartt und Dickies besteht, welche eigentlich als Workwear-Marken in die selbe Kategorie wie Engelbert-Strauß fallen. Allgemein schon seltsam, dass man auf regulärer Basis Kleidungsstücke, die ursprünglich für Feld- und Stahlarbeiten gedacht waren, auf den Straßen sieht. Ist ja nicht so, als liefe einem auf regulärer Basis auch ein Blaumann oder ein Arztkittel über den Weg.
Die Geschichten von Carhartt und Dickies
Zu dieser Zeit ging auch die Williamson-Dickie-Manufacturing-Company, heute besser bekannt als Dickies, mit ihrer Produktion an den Start. Von C.N. Williamson und EE Dickie in Fort Worth, Texas, ins Leben gerufen, produzierten sie, ähnlich wie Carhartt, Overalls für Arbeiter, die sich aufgrund des Unternehmensstandorts in einem Südstaat, auch an Farmer als Käuferschaft richteten und sich, genau wie die Produkte der großen Konkurrenz aus dem Norden, wie geschnitten Brot verkauften.
Im zweiten Weltkrieg waren beide Marken schon echte Institutionen in der Workwear geworden, Beide produzierten im Auftrag der Regierung Uniformen für die über neun Millionen Soldaten der US-Army.
Wo Dickies in seiner Nische der männlichen Funktionskleidung blieb, erschloss sich Carhartt einen neuen Markt und veröffentlichte in einem revolutionären Schritt eine der ersten Frauenkollektionen einer Workwear-Marke. Damit gewann Carhartt nicht nur zusätzlich an Popularität, sondern unterstützte dazu die durch Personalmangel aufgekeimte weibliche Arbeiterbewegung im zweiten Weltkrieg, welche eine der ersten Formen weiblicher Emanzipation darstellte und deren Narrativ im Feminismus der 1980er Jahre eine große Rolle spielte. Eins der Beispiele dafür, dass Mode mehr ist, als das, was man anzieht, und wie wichtig Mode nicht nur als Spiegel, sondern auch als Motor der Gesellschaft ist.
Den Weg aus den Fabriken auf die Straßen schlugen Carhartt und Dickies jedoch erst ein knappes Jahrhundert nach der Gründung ein: Die Marken wurden in den 1970er und 80er Jahren von Skate- und BMX-Kultur entdeckt und erlebten dadurch ihre zweite Jugend. Der Grund dafür war schlicht und einfach der günstige Preis, da der durchschnittliche Skater und BMXer nicht unbedingt so viel Geld im Überfluss hatte, um sich andere angesagte Marken zuzulegen und an Fast Fashion in der Form, wie wir sie heute kennen, noch nicht zu denken war. Obendrein waren die nahezu unkaputtbaren Stoffe und geraden Schnitte perfekt für die neue Käuferschicht, da sie optimale Bewegungsfreiheit boten und auch nach 100 Stürzen vom Board noch robust wie am ersten Tag waren. Auch die Hip Hop-Szene machte vor den wiederentdeckten Marken nicht halt. Besonders die Dickies 874, welche den Spitznamen O-Dog verpasst bekam, hatte es den Sprechgesangskünstlern angetan und so ist diese unter anderem in Videos von Legenden wie Eazy-E, Dr. Dre und Snoop Dogg zu sehen.
Diese Renaissance brachte Carhartt dazu, sich in einer separaten Kleidungslinie der neuen Trägerschaft zu widmen. In Kooperation mit dem Schweizer Unternehmer Edwin Faeh entstand 1997 ein neuer Unternehmenszweig, welcher sich um den Streetwear-Aspekt von Carhartt drehen sollte: Carhartt Work in Progress war geboren. Im Gegensatz zum OG Carhartt wird hier der Overall durch Chino- oder Cargopant und das klassische Holzfällerhemd durch T-Shirts und Hoodies ersetzt. Trotzdem vergisst man seine Wurzeln nicht und inspiriert sich beim Schnitt an Arbeiterjacken und -coats oder dem Straight-Cut, wie ihn einst Hamilton Carhartt selbst für seine Hosen nutzte. Was Carhartt WIP aber wirklich von Konkurrenten innerhalb der Streetwear-Industrie unterscheidet, sind die Materialien. Hochwertige, dicke Stoffe und eine hervorragende Verarbeitung sind ein Qualitätsmerkmal, das sich die Brand aus Michigan beim Übergang in die Streetwear-Branche nicht hat nehmen lassen.
Workwear Essentials
Bevor ich dazu komme, warum Workwear aktuell immer noch populär ist, möchte ich noch einmal zusammenfassen, was die Ästhetik von Workwear ausmacht, was für Pieces, was für Schnitte, was für Materialien wichtig sind.
Ursprünglich wurde fast ausschließlich ein Overall mit einem Hemd getragen, heutzutage ist wohl eher nur der Hosenteil relevant. Hier kann man sich grob zwischen Denim und Twill-Chino entscheiden. Wichtig ist nur, dass die Hose aus einem festen Material gemacht und einen Straight oder Loose Tapered Cut hat. Eine Levi's 501 eignet sich zum Beispiel super, da aber auf nen möglichst hohen Baumwollanteil achten, sonst ist der Stoff eher weich und elastisch. Wer eher in die Chino-Richtung gehen will, dem kann ich die eben angesprochene Dickies 874 ans Herz legen. Die ist mit einem angenehmen weiteren geraden Schnitt ausgestattet und kommt in jeder Farbe, die das Workwear-Herz begehrt.
Apropos Farbe: die klassische Farbpalette umfasst viele dunkle Grau-, Braun-, und Blautöne, Carhartt WIP bietet allerdings auch bei ihren T-Shirts, Hoodies und Mützen alle möglichen auch helleren und wärmeren Farben an. Die Pastelltöne der aktuellen Frauenkollektionen finde ich zum Beispiel sehr stark.
Bei Jacken kann man ebenfalls in zwei Kategorien aufteilen, die Worker/Coach Jacket und das Worker Coat. Die Worker Jacket ist eine kürzer geschnittene Jacke aus einer Woll-Polyester-Mischung (teilweise auch ganz aus Polyester) mit Kragen. Nicht auffällig, sondern simpel und hält warm. Zwei Beispiele dafür sind in den beiden Outfits von Kanye West zu finden, welcher allgemein in der Welt der A-Prominenz den Stil vertritt wie kein zweiter. Seine Stiefel, schlichte Military Boots, oder Timberlands sind für den Workwear-Look die Treter der Wahl, für einen modernen Look eignen sich auch Sneaker. Bestenfalls sollte man sich dann aber auch klobigere Runner an die Füße schnüren, um unter den weiten Hosen nicht unterzugehen.
Das Worker Coat ist, wie der Name eigentlich nahelegt, kein richtiger Mantel, sondern eine etwas längere und weitere Jacke. Hier hat man es mit Denim- und Canvasstoff (also Stoff in Leindwandbindung) zu tun.
Natürlich gibt es unter den Klassikern noch viele weitere Modelle, von den Streetwear-Adaptionen von Carhartt WIP ganz zu schweigen, das sind allerdings die essenziellsten Modelle, die man wohl auch am öftesten sieht, und daher gute Einsteigerstücke, wenn man den Look mal für sich selbst ausprobieren möchte.
Das Worker Coat ist, wie der Name eigentlich nahelegt, kein richtiger Mantel, sondern eine etwas längere und weitere Jacke. Hier hat man es mit Denim- und Canvasstoff (also Stoff in Leindwandbindung) zu tun.
Natürlich gibt es unter den Klassikern noch viele weitere Modelle, von den Streetwear-Adaptionen von Carhartt WIP ganz zu schweigen, das sind allerdings die essenziellsten Modelle, die man wohl auch am öftesten sieht, und daher gute Einsteigerstücke, wenn man den Look mal für sich selbst ausprobieren möchte.
Warum also Carhartt und Dickies tragen?
Wer jetzt immer noch nicht überzeugt ist, dem lassen sich diese drei Gründe gesagt sein:
1. Viele Pieces lassen sich auch in andere Styles einarbeiten, ein schlichtes Hemd, eine einfarbige Worker-Jacket oder eine robuste Straight-Cut-Denim können sowohl zu Palace, als auch zu Louis Vuitton gut aussehen. Im Gegensatz zur eingangs erwähnten Engelbert-Strauß-Hose schreien diese nicht aus jeder ihrer 20 Taschen "Funktionalität".
2. Selbst wenn man der Workwear im klassischen Sinne ästhetisch überhaupt nichts abgewinnen kann, bietet Carhartt WIP durch T-Shirts mit Prints, Caps, Hoodies, selbst Kollaborationen mit Musikern und Künstlern, immer noch Streetwear, die sich neben anderen etablierten Marken wie Stüssy einreiht, sich teilweise trotzdem noch an der eigenen Herkunft orientiert und qualitativ die selben Standards wie OG Carhartt und Dickies an den Tag legt.
3. Und nicht nur die Qualität, auch das Preis-Leistungs-Verhältnis von Carhartt (WIP) und Dickies ist nahezu unschlagbar. Besonders bei Dickies bekommt man die Worker-Jackets, die sich als gute Übergangsjacken eignen, für um die 50€, die Hosen ebenfalls. Carhartt ist etwas höherpreisiger unterwegs, aber bei beiden gilt vor allem eins: was man kauft hält ewig. Und auch wenn man bei Carhartt WIP für einen einfarbigen Hoodie das dreifache zahlt wie bei H&M, so trägt man diesen auch drei mal so oft und dazu noch doppelt so gerne. Was Cost per Wear angeht, gibt es für mich wenig, was an Dickies und Carhartt herankommt.
Sogar die, die mit Workwear nichts am Hut haben, profitieren von ihr, da sie die erste wirkliche Bewegung in der Mode war, die auf dicke und reißfeste Stoffe gesetzt hat, was heutzutage besonders in der Streetwear ein Qualitätsmerkmal ist und bei Marken wie Acne Studios und Represent von den Käufern besonders geschätzt wird. Auch wenn man mit dem Stil von Carhartt (WIP) und Dickies nichts anfangen kann, so muss man trotzdem wertschätzen, dass sie uns allen das gut Kleiden, ohne dabei Angst um seine Lieblingsstücke haben zu müssen, vereinfacht hat.
1. Viele Pieces lassen sich auch in andere Styles einarbeiten, ein schlichtes Hemd, eine einfarbige Worker-Jacket oder eine robuste Straight-Cut-Denim können sowohl zu Palace, als auch zu Louis Vuitton gut aussehen. Im Gegensatz zur eingangs erwähnten Engelbert-Strauß-Hose schreien diese nicht aus jeder ihrer 20 Taschen "Funktionalität".
2. Selbst wenn man der Workwear im klassischen Sinne ästhetisch überhaupt nichts abgewinnen kann, bietet Carhartt WIP durch T-Shirts mit Prints, Caps, Hoodies, selbst Kollaborationen mit Musikern und Künstlern, immer noch Streetwear, die sich neben anderen etablierten Marken wie Stüssy einreiht, sich teilweise trotzdem noch an der eigenen Herkunft orientiert und qualitativ die selben Standards wie OG Carhartt und Dickies an den Tag legt.
3. Und nicht nur die Qualität, auch das Preis-Leistungs-Verhältnis von Carhartt (WIP) und Dickies ist nahezu unschlagbar. Besonders bei Dickies bekommt man die Worker-Jackets, die sich als gute Übergangsjacken eignen, für um die 50€, die Hosen ebenfalls. Carhartt ist etwas höherpreisiger unterwegs, aber bei beiden gilt vor allem eins: was man kauft hält ewig. Und auch wenn man bei Carhartt WIP für einen einfarbigen Hoodie das dreifache zahlt wie bei H&M, so trägt man diesen auch drei mal so oft und dazu noch doppelt so gerne. Was Cost per Wear angeht, gibt es für mich wenig, was an Dickies und Carhartt herankommt.
Sogar die, die mit Workwear nichts am Hut haben, profitieren von ihr, da sie die erste wirkliche Bewegung in der Mode war, die auf dicke und reißfeste Stoffe gesetzt hat, was heutzutage besonders in der Streetwear ein Qualitätsmerkmal ist und bei Marken wie Acne Studios und Represent von den Käufern besonders geschätzt wird. Auch wenn man mit dem Stil von Carhartt (WIP) und Dickies nichts anfangen kann, so muss man trotzdem wertschätzen, dass sie uns allen das gut Kleiden, ohne dabei Angst um seine Lieblingsstücke haben zu müssen, vereinfacht hat.
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