Von der Schulbank auf die Fashion Week - die Geschichte der College Jacke


College Jacke, Varsity Jacket oder Letterman Jacket. Wie man das Kind auch nennen mag, die Stoffjacke mit Strickkragen und Knöpfen hat jeder schon einmal gesehen oder zuhause im Kleiderschrank. Schließlich ist sie eins der klassischsten und ältesten Stücke der männlichen Alltagsbekleidung, die sich bis heute in der Mode gehalten haben. Die Historie der Jacke ist für mich einer der interessantesten Aspekte, da sie nicht nur besonders weit zurück geht, sondern auch einen der drastischsten Wandel, was Trägerschaft und Stil angeht, in der gesamten Modewelt beinhaltet. Aber dazu komme ich später noch.

Der Ursprung 

Die klassische College Jacke zeichnet sich besonders durch zwei Charakteristika aus: die Wolljacke, oftmals mit Lederärmeln, im bomberjackenesken Schnitt und die Applikationen auf Brust, Rücken oder Ärmeln. Diese Applikationen sind tatsächlich älter als die Jacken selbst, rund 50 Jahre sogar. 
1865 begann die allseits bekannte Harvard University, den Spielern ihres Baseball-Teams große Hs auf Sweater und Hemden zu sticken, die so genannten Varsity Letters (daher auch der Begriff Letterman Jacket). Diese dienten in erster dem Zweck der Uniform, quasi das Pendant zum heutigen Trainingsanzug des Sportvereins, waren jedoch schon immer dazu ein Statussymbol. Wer im Schulteam Baseball oder Football spielte, der war cool. Da der Kapitän der Teams und besonders herausragende Spieler ihre Uniformen auch über ihre Spielerzeit hinaus behalten durften, war ein Buchstabe auf dem Kleidungsstück eine umso begehrenswertere Trophäe: man musste ihn sich erarbeiten und wer einen hatte, war ein schulinterner Held.

Die Jacke selbst ist ein direkter Nachkomme der Fliegerjacke, welche im ersten Weltkrieg ihr Debüt feierte, um die Piloten trotz offener Cockpits warm zu halten. Zusammen mit dem aus England stammenden Trenchcoat, welcher den Soldaten einen leichten, jedoch trotzdem vor Dreck, Wasser und sonstigem im Schützengraben schützenden Mantel bieten sollte, stellen sie DIE beiden heute immer noch modischen Klassiker, die aus Kriegsumständen entstanden sind, dar. Aber ich schweife ab. Damals noch aus Leder und Fell wurde der Look der kürzeren Jacken mit Bündchen unten am Torso und den Ärmeln in der Nachkriegszeit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten schnell nicht nur unter Piloten populär und Modelle wie die G-1 und A-2 eroberten das gemeine Volk. So auch die Colleges.


Also entschlossen sich die Colleges, mit der Zeit zu gehen und die bisherigen Sweater und Hemden durch Jacken zu ersetzen, den hohen Kosten geschuldet aber, bis auf die Arme, Fell und Leder als Materialien durch Filzstoff zu ersetzen. Die ersten Exemplare lassen sich auf die frühen 1930er Jahre zurückführen. Trotzdem waren diese Jacken immer noch sehr teuer, wer seine behalten wollte, musste schon mal gut und gerne 200-500 Dollar auf den Tisch legen. Die Siegestrophäe wandelte sich also nach und nach auch zu einem Zeichen eines gut betuchten Elternhauses. In dem Zuge ist wohl auch das Klischee des Footballteam-Captains aus amerikanischen Filmen und Serien entstanden. Bestaussehendster Typ der Schule, von allen Cheerleaderinnen umworben und schmeißt immer die besten Partys, ergo das Paradebeispiel für die Oberschicht.

Die College Jacke ohne College


Insbesondere durch das Image, das diese vermittelten, nahmen die Varsity Jackets auch außerhalb der Universitäten und Schulteams massiv an Popularität zu, binnen weniger Jahre produzierte jedes große Football- und Basketballteam seine eigene Jacke als Merchandise-Artikel und der Buchstabe auf der Brust verlor nach und nach seine Exklusivität. Inzwischen in den 70er und 80er Jahren angekommen, hatte jeder Jugendliche, der etwas auf sich hielt, so eine Jacke im Schrank hängen.
Auch in der Hip-Hop Szene, die sich in erster Linie aus Afro-Amerikanern aus Problemvierteln zusammensetzte, die sich das Ursprungsprodukt niemals hätten leisten können, hatte der Look seinen Platz gefunden, kostengünstiger Produktion sei dank. Vielleicht gerade deswegen, weil ihre Jacken ein elementarer Teil amerikanischer und vor allem "weißer" Kultur waren, weil man sich gegen die immer noch vorhandene Ungerechtigkeit und mangelnde Integration der Afro-Amerikaner auflehnte, gleichzeitig seinen eigenen Platz in der Gesellschaft klar stellen wollte und dazu noch eine sportliche und relaxte Ästhetik verfolgte, war gerade die Letterman Jacket, ürsprünglich die Jacke der Elite, das Kleidungsstück der Wahl.

Auch auf die Laufstege der Welt hat die College Jacke erobert, angefangen als Shawn Stüssy als erster Modedesigner, mit seiner Marke Stüssy, welche bis zum heutigen Tag einer der Big Player in der Streetwear-Szene ist, Varsity Jackets als reines Modeprodukt veröffentlichte, welches unter anderem vom japanischen DJ und Designer Nigo und dessen Label A Bathing Ape ("Bape") aufgegriffen und so aus den USA heraus zu einem weltweiten Produkt gemacht wurde. Ein weiteres Beispiel ist die Saint-Laurent Teddy-Jacket, welche das Nonplusultra unter den College Jacken darstellen soll, bei einem Preis von knapp 1700€ aber auch im Luxussegment zu verorten ist.

College Jacken sind großartig, da sie in jeden Style und in jede Preiskategorie hinein passen. Sei es ein Zeitzeuge für einen schmalen Taler aus dem Vintage-Laden oder das High-Fashion-Piece aus der Pariser Boutique. Der sportliche Look lässt sich in jede Stilrichtung einbetten, da er durch meist simple 1-2 verwendete Farben eine gewisse Eleganz mit sich bringt und dabei trotzdem immer das Statementpiece des Outfits darstellt. Ob Jeans, Sneaker und Cap oder Anzughose und Boots, die Jacke passt überall rein.


Und das wahrscheinlich wegen ihrer Geschichte, von einer Kombination aus Kriegsausrüstung und Sportabzeichen, über Sinnbild der Jugend der amerikanischen Oberschicht, bis hin zur Repräsentation in der Rap-Szene und heutzutage von Schule bis Laufsteg überall zu finden. Sie wird von jeder erdenklichen Subkultur getragen, weil sich jede Subkultur mit ihr identifizieren kann. Der Trend geht aktuell auch in der deutschen Streetwear wieder zurück zur Varsity Jacket, nicht zuletzt da Rapper, die wieder verstärkt auf den Stil der 90er setzen, wie ein Rin oder ein Shindy, immer wieder in einer zu sehen sind. Und das freut mich. Mode ist für mich auch immer ein Stück Kultur. Kultur, die jeder am Körper trägt, Kultur, die eine Geschichte hat. Und dieses (Kleidungs-)Stück Kultur mit einer solch spannenden Geschichte durch jeden einzelnen, der es trägt, lebendig und sich immer weiter entwickelnd zu sehen ist etwas, das ich sehr wertschätze.


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